Friedensnobelpreis 1960: Albert John Luthuli

Friedensnobelpreis 1960: Albert John Luthuli
Friedensnobelpreis 1960: Albert John Luthuli
 
Der Zuluhäuptling wurde als erster Afrikaner in Anerkennung seines gewaltlosen Widerstands gegen die Apartheidpolitik ausgezeichnet.
 
 
Albert John Mwumbi Luthuli, * Rhodesien (heute Simbabwe) um 1898, ✝ Groutville (Südafrika) 21. 7. 1967; ab 1921 Tätigkeit als Lehrer, 1936-52 Häuptling des Zulustammes der Abasemakholweni, 1944 Beitritt zum African National Congress (ANC), 1952-60 Präsident des ANC, ab 1952 bis zum Tod mit kurzen Unterbrechungen unter Hausarrest und mehrfach wegen Hochverrats inhaftiert.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Es ist in der Geschichte schon häufiger vorgekommen, dass eine herrschende Minderheit ihre Macht zu sichern versucht, indem sie der Volksmehrheit fundamentale Bürgerrechte vorenthält, sie räumlich ausgrenzt und ihr bestimmte Wohn- und Siedlungsgebiete als Gettos zuweist. Zum perfekt geplanten politischen System wurde diese Form der Unterdrückung allerdings erst um die Mitte des 20. Jahrhunderts in Südafrika entwickelt und dann unter dem Namen »Apartheid« jahrzehntelang praktiziert.
 
Apartheid bedeutet im Afrikaans, der Sprache der Nachkommen europäischer Einwanderer (Buren), so viel wie »Absonderung« oder »Trennung«. Gemeint ist die Rassentrennung zwischen weißer und nicht weißer Bevölkerung. Im politischen Sinn tauchte dieser Begriff erstmals vor den Parlamentswahlen 1948 im Programm der von den Buren beherrschten Nationalen Partei (NP) auf. Rassentrennung und weiße Vorherrschaft waren damals in der Südafrikanischen Union wie in vielen ehemaligen Kolonien schon lange üblich. Beispielsweise durften seit 1910 nur Weiße Parlamentsabgeordnete werden. Gesetze schränkten die Gebiete der Schwarzafrikaner (Bantus) auf etwa 15 Prozent der Gesamtfläche Südafrikas ein — bei einem Bevölkerungsanteil der Schwarzen von annähernd 80 Prozent.
 
Nach dem Wahlsieg der Nationalen Partei begann die Regierung, die Rassentrennung durch zahlreiche Gesetze zu zementieren. Im selben Jahr, in dem die Vollversammlung der Vereinten Nationen die »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte« verkündete, wurden eben diese Menschenrechte systematisch verletzt.
 
So wurde jeder Südafrikaner per Gesetz einer Rasse und einem Wohngebiet zugewiesen, rund 90 Prozent der Einwohner wurden von höherer Schulbildung ausgeschlossen. Außerdem verbot man »gemischtrassige« Ehen und Liebesbeziehungen zwischen Weißen und Nichtweißen. Später kam zu dieser »kleinen Apartheid« noch die »große« hinzu, bei der tausende schwarzer Bürger mit brutalen Umsiedlungsaktionen in so genannte Homelands (Heimatländer) getrieben und durch verschärfte Passgesetze in diesen modernen Reservaten praktisch gefangen gehalten wurden.
 
 Eine Brücke zwischen Schwarz und Weiß
 
Mehr als ein Viertel der schwarzen Einwohner Südafrikas sind Mitglieder des Volks der Zulu, zu dem Albert John Luthuli gehört. Sein Vater, John Bunyan Luthuli, hatte das Zululand schon früh verlassen und sich als christlicher Missionar im benachbarten Rhodesien (dem heutigen Simbabwe) betätigt. Dort kam Albert John, der selbst den Zuluvornamen Mwumbi (Dauerregen) bevorzugte, 1898 als dritter Sohn der Familie zur Welt. Nach dem Tod des Vaters kehrte er um 1906 mit seiner Mutter in die Gegend von Groutville zurück.
 
Die Luthulis, ein altes Häuptlingsgeschlecht aus eben dieser Gegend, waren in der Tradition der Zulu verwurzelt, hatten aber zugleich auch von den Missionaren christliche Ideen übernommen und so die Brücke zwischen den Kulturen geschlagen. An christlichen Missionsschulen ausgebildet erhielt Albert John Luthuli schon als junger Mann eine Stelle als Lehrer und unterrichtete 15 Jahre lang seine jungen Landsleute in der Sprache, Geschichte und Kultur der Zulu. Nebenher widmete er sich auch seiner Aufgabe als Laienprediger.
 
Ein politischer Mensch war Albert John Luthuli zu dieser Zeit noch nicht. Die verschiedenen Ehrenämter, die er übernahm, hatten hauptsächlich mit seiner Tätigkeit in der Schule und in der Kirche zu tun. So war er Sekretär des Verbands Afrikanischer Lehrer in seinem Wohnort Natal und Präsident einer Missionskonferenz. 1936 sollte sich dies jedoch ändern, als er von den Stammesältesten zum Häuptling seines Stamms gewählt wurde und er das Amt annahm. Jetzt musste Luthuli die Verantwortung für rund 5000 Menschen tragen, die mehr schlecht als recht vom Zuckerrohranbau oder als Arbeiter in den Minen Südafrikas lebten. Täglich wurde er nun mit Hunger und Elend, Ausbeutung und Unterdrückung konfrontiert — dabei hatte man ihn in den Missionsschulen doch das Gebot der christlichen Nächstenliebe gelehrt.
 
 Let My People Go
 
Den ersten Schritt zum organisierten politischen Widerstand unternahm Albert John Luthuli mehr oder weniger zufällig: 1944 trat er dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) bei, weil er mit dessen Führer in Natal persönlich befreundet war. Die bereits 1912 gegründete Partei setzte sich mit friedlichen Mitteln für die Rechte der Schwarzen ein; jedoch ohne größere Erfolge. Die Rassendiskriminierung verschärfte sich in den 1940er-Jahren sogar. Spätestens seitdem der Stammeshäuptling 1946 miterleben musste, wie südafrikanische Sicherheitskräfte einen Bergarbeiterstreik blutig niederschlugen, war ihm bewusst, dass allein durch Bittschriften und stumme Proteste die Lage seiner schwarzen Landsleute nicht zu verbessern war. Sie mussten Widerstand gegen die weiße Vorherrschaft leisten, die ab 1948 durch die Apartheidgesetze unerträglich wurde.
 
Mit Albert John Luthuli kamen in den 1940er- und 1950er-Jahren viele jüngere Leute zum Afrikanischen Nationalkongress. Männer wie Nelson Mandela, Oliver Tambo oder Walter Sisulu, die bereit waren, im Freiheitskampf auch Gewalt anzuwenden, und den als gewaltfreie Bürgerrechtsorganisation gegründeten ANC später in den »Speer der Nation« verwandelten. Luthuli hielt dagegen unbeirrt an den Grundsätzen des gewaltfreien Widerstands fest, denn seiner Überzeugung nach »führt der Weg zur Freiheit [nicht über den Krieg, sondern] über das Kreuz«. Die Reden, in denen er das Apartheidsystem verurteilte, und die von ihm organisierten Boykotte, die die südafrikanische Wirtschaft an ihrer Achillesferse trafen, zeigten Wirkung: Die südafrikanische Regierung geriet unter immer stärkeren Druck und versuchte, den Kritiker zum Hochverräter abzustempeln und so unschädlich zu machen. Fast während der gesamten Zeit seiner Präsidentschaft des ANC von 1952 bis 1960 war Luthulis Bewegungsfreiheit durch Hausarreste eingeschränkt. Auch nach dem Verbot des Afrikanischen Nationalkongresses und der Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis wurde er in seinem kleinen Haus bei Groutville von der Weltöffentlichkeit streng abgeschirmt. Trotzdem ist es Luthuli gelungen, die Welt auf die Missstände in Südafrika aufmerksam zu machen und damit im Ausland den moralischen Druck zu erzeugen, der zur Beendigung des Apartheidsystems gewiss nicht weniger beigetragen hat als die gewaltsamen Aktionen des »Speers der Nation«.
 
P. Göbel

Universal-Lexikon. 2012.

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